Quelle: Berliner Zeitung 09.09.2004 Sport - Seite 16

Autor: Heinz-Peter Kreuzer

 

Eliteschulen des Sports

"Suche nach dem Optimum"
 
Die Eliteschulen des Sports müssen sich einer umfangreichen Evaluierung unterziehen
 
KÖLN, 8. September. Das schlechte Ab-schneiden der deutschen Olympiamannschaft bei den Sommerspielen in Athen hat die Diskussion um die Erneuerung der Sportstrukturen angeheizt. In Sachen Sport-erfolge sei das Erbe der DDR aufgebraucht, heißt es. Aber ein Erbe aus DDR-Zeiten erlebt unter dem neuen Namen Eliteschule des Sports, dieses Prädikat wird seit 1997 vergeben, eine Renaissance. Das Nachfolgemodell der Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) wird von den Sportfunktionären und dem Sponsor als Brutstätte neuer Weltklasseathleten und Modell für die Zukunft gefeiert. "Ehemalige Eliteschüler stellten rund 30 Prozent der deutschen Athleten bei Olympia (insgesamt 451/d. A.) in Athen, waren aber zu 60 Prozent an den 48 Medaillen beteiligt", sagt Dietrich Hoppenstedt, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, der als einziger Förderer aus der Wirtschaft diese Einrichtung finanziert. In dieser Rechnung tauchen auch jene vier Medaillengewinner auf, die noch zu DDR-Zeiten in die KJS gegangen waren. Für Ulrich Feldhoff, Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB), sind die Eliteschulen unverzichtbar. "Zu diesem System gibt es keine Alternative im gesamten Nachwuchs-Leistungssport. Es wird in allen Ländern, die sich im Weltsport vorne wiederfinden, praktiziert." Know-how von damals Als Botschafter der Effektivität präsentierte der Arbeitskreis Eliteschule drei Olympiasieger - alles Absolventen, aber keinen aktuellen Schüler. "Ich habe noch die KJS durchlaufen und mich dadurch weiterentwickelt", schwärmt der 34-jährige Radsportler Jens Fiedler. Sein jüngerer Mannschaftskamerad René Wolff war Schüler am Sportgymnasium Erfurt. Ohne diese Einrichtung hätte er kein Gymnasium besuchen können, mit Einzelunterricht habe er seine Defizite in den Sprachen ausgleichen können. Und Kanute Andreas Dittmer lobt das System als Fundament des deutschen Sports, in dem das Know-how von damals genutzt wird. Die Strukturen haben sich mittlerweile stark verändert, die Eliteschulen der heutigen Zeit sind im Gegensatz zur KJS keine reinen Sportschulen mehr. Der Nachwuchs wird mit leistungsstarken Trainingsgruppen und qualifizierten Trainern an den jeweiligen Olympiastützpunkten gefördert, da werden alle Kräfte konzentriert. Doch im schulischen Bereich werden die Talente in öffentliche Gymnasien, Realschulen und in Einzelfällen auch in Hauptschulen integriert. Die 38 Eliteeinrichtungen arbeiten mit insgesamt 85 Schulen zusammen, außerdem ist das Vollinternat nicht mehr die Regel, in Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet gibt es nur Tagesinternate. Das Zusammentreffen von Talenten mit anderen Jugendlichen ist für Feldhoff ein Nachteil. "Der Klassenverbund von jungen Nachwuchs-sportlern mit Schülern, die mit dem Sport überhaupt nichts zu tun haben, geschweige denn junge Leistungseliten darstellen, hat sich nicht bewährt. Der Leistungssportler wird durch die Stimmung in der Klasse oft runtergezogen." Da das Niveau zwischen den Eliteschulen schwankt, sollen alle evaluiert werden. Innerhalb der nächsten sechs Wochen sollen die Ergebnisse vorliegen. Dann wird es Auf- und Absteiger geben, neue Schulen rücken nach, anderen wird das Zertifikat entzogen. Aber nicht nur die schulische Ausbildung des Sportnach-wuchses steht im Zentrum der Erneuerung. Feldhoff kündigt an, bei den nächsten Kultus- und Sportministerkonferenzen neue Strukturen für den gesamten Nachwuchs-sport einzufordern. "Wir müssen die Talentsichtung in den einzelnen Ländern neu aufbauen, sie ist teilweise vom Zufall abhängig." Die schwierigste Phase im Leben der Sportler ist jedoch die Zeit nach der Schule. "Es muss ein leistungssport-freundlicheres Klima entstehen, es müssen auf den Sport abgestimmte Rahmen-bedingungen für Ausbildung und Studium geschaffen werden", fordert Feldhoff.

Die 38 Eliteschulen des deutschen Sports: Judo-Leistungs-Internat Abensberg, Bergstadtgymnasium Glück auf Altenberg, Christophorusschule Berchtesgaden, Coubertin-Gymnasium Berlin, Flatow-Oberschule Berlin, Werner-Seelenbinder-Schule Berlin, Sportinternat Bochum, Sportinternat Bonn, Sportgymnasium Chemnitz, Lausitzer Sportschule Cottbus, Sportgymnasium Dresden, Pierre-de-Coubertin-Gymnasium Erfurt, Sportinternat Essen, Volleyball-Internat Olympiastützpunkt Frankfurt am Main, Sportschule Frankfurt (Oder), Skiinternat Furtwangen, Sportgymnasium und Sportsekundarschule Halle/Saale, Helmholtz-Gymnasium Heidelberg, Sportinternat Hannover, Sportgymnasium Johann Christoph Friedrich GutsMuths Jena, Heinrich- Heine-Gymnasium Kaiserslautern, Skisport-Gymnasium Klingenthal, Gymnasium auf der Karthause Koblenz, Sportgymnasium Leipzig, Landrat-Lucas-Gymnasium Leverkusen, Sportbetonte Gesamtschule Luckenwalde, Sportgymnasium und Sekundarschule Hans Schellheimer Magdeburg, Isar-Sportgymnasium München, Sportgymnasium Neubrandenburg, Sportgymnasium Oberhof, Sportinternat Oberstdorf, Wintersportschule Oberwiesenthal, Sportschule Friedrich Ludwig Jahn Potsdam, CJD Christophorusschule Rostock, Sportgymnasium Schwerin, Sportinternat Stuttgart, Voll-/Teilinternat Tauberbischofsheim, Geschwister-Scholl-Gymnasium Winterberg.
 

 
...hängen im Internet rum und machen viel Unsinn
  
"Eine Lösung ist das Bekenntnis zum Jungprofi. Aber bitte nur bei bestens ausgesuchten Talenten mit einer sehr detaillierten Zeit- und Ressourcenplanung. Mit Internaten im grossen Stil sind die Vereine schon böse auf die Nase gefallen, indem Sie 17-Jährigen den Profistatus gaben und in Internate steckten. Sie hängen im Internet rum und machen viel Unsinn."
 
Peter Knäbel Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbands
 
 
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