Beinahe-Todesfälle
häufen sich Als Konsequenz aus der Serie von
Beinahe-Todesfällen in der
Polizeihaftanstalt Grünau muss nach Auffassung des
Flüchtlingsrates der
Polizei die Zuständigkeit für die medizinische Versorgung in
der
Abschiebehaft entzogen und diese in die Verantwortung unabhängiger
ÄrztInnen in freier Trägerschaft gegeben werden. Auch ein
Polizeisanitäter muss in jedem Fall umgehend eine ÄrztIn bzw.
NotärztIn
hinzuziehen. Eine unabhängige ÄrztIn muss rund um die Uhr in
der
Haftanstalt verfügbar sein. Auch die derzeit völlig
ineffektive
Sozialarbeit sollte an Stelle der Polizei von unabhängigen
Trägern
wahrgenommen werden.
28. Mai 2005.
In
Berlin ist es schwül, 35 Grad im Schatten. In Station 3/1 des aus
DDR-Zeiten stammenden Betonplattengefängnisses sind die Zellen der
die
Häftlinge noch immer mit käfigartigen Gitterstäben
abgetrennt, sie
können deshalb die Fenster nicht selbst öffnen. Die als
Wärter
eingesetzten Polizisten lassen sich am Samstagabend nur ungern
stören.
Der 27 jährige Algerier Abdelhamid B. leidet an starken
Brustschmerzen
und verlangt immer wieder dringend ärztliche Hilfe. Die Polizisten
halten sich selbst für medizinische kompetent - einige haben eine
Sanitäterausbildung - und erklären Herrn B., er müsse
bei der Hitze
mehr trinken. Sie verweigern ihm über vier Stunden ärztliche
Hilfe.
Erst nachdem die andere Häftlinge massiv damit drohen, "Probleme"
zu
machen, bringen die Polizisten B: mit einem Gefangenentransporter ins
Krankenhaus. Dort wird ein Herzinfarkt festgestellt, B. hat nach
Aussage der Ärzte nur knapp überlebt.
Einen ähnlichen Vorfall - verweigerte Hilfeleistung bei einem
Herzinfarkt - gab es bereits im Dezember 2001
2. Dezember 2001.
Sonntagabend in der
Abschiebehaft Grünau. Der 27 jährige Kosovo-Albaner Zenum R.
verlangt
wegen akuter Beschwerden (Schmerzen, Erbrechen, Atemnot,
Kreislaufinstabilität und Todesangst) dringend ärztliche
Hilfe.
Polizeisanitäter diagnostizieren einen "verdorbenen Magen" und
verabreichen falsche Medikamente. Sie informieren weder die
Polizeiärztin noch den Notarzt von Feuerwehr oder
Kassenärztlicher
Vereinigung. Erst am nächsten Tag wird der Gefangene von der nun
anwesenden Polizeiärztin untersucht. Es werden weder ein EKG
gefertigt
noch Laboruntersuchungen veranlasst oder ein Facharzt hinzugezogen,
Herr R. wird wieder in seine Zelle gebracht.
Erst nach weiteren 12 Stunden, nachdem Herr R. in anhaltender
Todesangst aus seiner Zelle per Handy über 110 die von außen
kommende
Polizei um Hilfe ruft, droht seine Zelle anzuzünden, und der
Anstaltspfarrer massiv interveniert, wird der Schwerkranke von der
Polizei - mit auf dem Rücken gefesselten Händen - in die
Notaufnahme
des DRK-Krankenhauses Köpenick gebracht. Dort wird ein akuter
Herzinfarkt diagnostiziert. Wegen der zu spät eingeleiteten
Behandlung
ist mit bleibenden Schäden zu rechnen.
Das Gericht bagatellisiert den Vorfall später und zeigt
gegenüber der
angeklagten Polizeiärztin Milde, vgl. TAZ vom 18. Januar 2005, Eine Behandlung
ohne jegliches Gespür
25. Oktober 2002.
Die 31jährige Annie B. aus Ghana
ist, obwohl im 6. Monat schwanger, seit drei Wochen in Grünau
inhaftiert. Sie klagt seit einer Woche über akute, starke
Schmerzen im
rechten Unterbauch. Bereits seit zwei Monaten hatte sie abdominelle
Beschwerden mit Erbrechen. Dennoch bleibt sie inhaftiert, externe
ärztliche Hilfe wird ihr verweigert. Als Frau B. aufgrund ihrer
starken
Schmerzen schließlich doch in die DRK-Klinik Köpenick
gebracht wird,
muss sie noch am gleichen Abend notfallmäßig operiert werden
– wegen
einer akuten, lebensbedrohlichen Blinddarmentzündung.
16. Mai 2003.
Der
48jährige Ebou K. wird am nach fünf Wochen Abschiebehaft aus
dem
Polizeigewahrsam Grünau nach Gambia abgeschoben. Unmittelbar vor
dem
Abflug am 16.05.2003 wird der Lebensgefährtin von Herrn K. vom BGS
die
Möglichkeit eingeräumt, sich zu verabschieden. Dort zeigt
sich der Frau
ein völlig kraftloser Mensch, der kaum in der Lage ist, auf
eigenen
Beinen zu gehen und offenbar nicht vollständig orientiert ist.
Sein
Blick geht ins Leere. Medikamente, die Herr K. in der Abschiebehaft
nahm, wurden ihm nicht mitgegeben. Bei Ankunft in Gambia soll er kaum
ansprechbar und vollkommen kraftlos gewesen und bis zu seinem Tod
bettlägerig gewesen sein. Er habe sich ständig
übergeben.
Am 19. Mai 2003 stirbt Herr K.
Weitere Fälle
mangelhafter
und unterlassener medizinischer Versorgung in der Abschiebehaft in
Berlin und anderswo hat die Antirassistische Initiative Berlin in der
Dokumentation Bundesdeutsche
Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen
festgehalten.
Der
Hungerstreik im Abschiebeknast geht weiter
von Initiative gegen das Chipkartensystem
Skandalöse
Zustände im Abschiebeknast Grünau – Abschiebung von Zeugen.
Seit sechs
Wochen brodelt es im Abschiebeknast Grünau, weil sich die dort
Inhaftierten gegen Abschiebungen in Folterstaaten wie die Türkei,
lange
Haftdauern, unklare Zukunftsperspektiven, alltäglichen Schikanen
durch
das Wachpersonal und unzureichende medizinische Versorgung wehren.
Skandalöse
Zustände im Abschiebeknast Grünau –
Abschiebung von Zeugen –
Seit sechs Wochen brodelt es im Abschiebeknast Grünau, weil sich
die dort Inhaftierten gegen Abschiebungen in Folterstaaten wie die
Türkei, lange Haftdauern, unklare Zukunftsperspektiven,
alltäglichen
Schikanen durch das Wachpersonal und unzureichende medizinische
Versorgung wehren.
Seit dem 16. April befinden sich einige Häftlinge im Hungerstreik.
Erwurde ausgesetzt, weil die Verantwortlichen die Einsetzung eines
Runden Tisches zugesagt hatten. Als deutlich wurde, dass außer
einem
Gespräch am 27.5. nichts passieren würde, setzten fünf
von ihnen den
Streik fort.
Am 28.5. zeigte sich wieder einmal, wie recht die Betroffenen mit ihrer
Kritik haben:
Erst auf massiven Druck seiner Mitgefangenen und nach stundenlanger
Verzögerung wurde ein schwer kranker Mann ins Krankenhaus
gebracht.
Dort stellt sich heraus, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt.
Für heute, den 3.6. ist die Abschiebung eines der
Hungerstreikenden geplant. Er ist Kurde, wird in die Türkei
abgeschoben
und befürchtet Folter und Gefängnis. Er ist Zeuge des
Herzinfarktes
gewesen. Zwei weitere Zeugen dieser Misshandlung, die ebenfalls im
Hungerstreik waren, wurden diese Woche freigelassen. Ein Tunesier, der
ebenfalls im Hungerstreik war, ist abgeschoben und direkt nach seiner
Ankunft in Tunesien inhaftiert worden.
Noch immer sind zwei Gefangene entschlossen, den Hungerstreik
fortzusetzen.
Um die Forderungen der Gefangenen zu unterstützen und die
Zustände im Abschiebegefängnis weiter öffentlich zu
machen, findet am
Donnerstag, 9. Juni, 18.00 Uhr S-Bhf. Spindlersfeld eine Kundgebung und
Demonstration zum Abschiebegefängnis statt
für das Bündnis antirassistischer Gruppen:
Antirassistische Initiative , Initiative gegen das
Chipkartensystem, Komitee zur Unterstützung politischer Gefangener
in
Iran – Berlin, Berliner Flüchtlingsrat,
Palästinensische Gemeinde Berlin
Ein Häftling im
Abschiebegewahrsam erlitt einen Herzinfarkt - das Personal reagierte
erst spät
Der
Algerier Abdelhamid B. hat im Abschiebegewahrsam Grünau einen
Herzinfarkt erlitten - und beinahe wäre er daran gestorben. Denn
die
Beamten haben nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe geholt. Erst vier
Stunden nach dem Infarkt wurde der Häftling ins Krankenhaus
gebracht.
Dort haben Ärzte dann den akuten Herzinfarkt diagnostiziert.
Inzwischen
ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen das Personal des
Abschiebegewahrsams wegen unterlassener Hilfeleistung.
Mithäftlinge
des Algeriers hatten sich mit einem Brief an die Berliner Zeitung
gewandt. Darin stand, am vergangenen Sonnabend gegen 20 Uhr habe der
27-jährige Abdelhamid B. über starke Brustschmerzen geklagt.
Die
Mithäftlinge berichten, sie hätten das Wachpersonal durch
Rufe und
Schläge gegen die Tür darauf aufmerksam gemacht. Die Beamten
sollen
gelacht und dann gesagt haben: "Ihr seid doch alle krank."
Die
Insassen hätten weiterhin "Krach geschlagen", wie sie sagen. Gegen
21.40 Uhr soll dann ein Sanitäter zu Abdelhamid B. gekommen sein
und
ihm gesagt haben, dass er bei der großen Hitze zu wenig getrunken
habe.
Eine Ärztin ist am Wochenende nicht im Dienst. Der Zustand des
Algeriers habe sich weiter verschlechtert. Weil Mithäftlinge
weiter um
Hilfe riefen, sei Abdelhamid B. dann nach Ende der Besuchszeit um 22
Uhr zur Sanitätsstation gebracht worden. Dort sei er von dem
Sanitäter
untersucht worden, der stellte aber keine Auffälligkeiten fest.
Abdelhamid B. habe eine Tablette bekommen und wurde auf seine Station
zurückgeschickt, erzählen die Insassen. Ein Arzt sei noch
immer nicht
gerufen worden. Dem Algerier ging es immer schlechter, er sei "blau
angelaufen", sagen die Mithäftlinge. Sie schlugen weiterhin gegen
die
Tür, sie schrien, sie drohten, sie würden "ein Problem
machen", wenn
nicht etwas geschehe. Um 0.30 Uhr wurde Abdelhamid B. schließlich
in
ein Krankenhaus gebracht. Aber noch immer war kein Arzt oder
Rettungswagen vor Ort, um den Patienten richtig versorgen zu
können.
Grünauer Beamte fuhren den Kranken mit einem Polizeitransporter
ins
DRK-Krankenhaus Köpenick.
Dort stellten die Mediziner bei Abdelhamid B.
einen akuten Herzinfarkt
fest und führten eine etwa zweistündige
Herzkatheterbehandlung durch.
Abdelhamid B. habe "großes Glück gehabt, dass er
überlebte", soll ein
Arzt gesagt haben.
Warum das Personal nicht eher reagierte, ist
unklar. Der evangelische Seelsorger Dieter Ziebarth sprach gestern von
einer sehr ernsten Angelegenheit. "Mir ist nie bekannt geworden, dass
Häftlinge im Abschiebegewahrsam einen Herzinfarkt
simuliert haben", sagte er der Berliner Zeitung. Der Vorfall sei ein
besonders schlimmes Beispiel für die unzureichende medizinische
Versorgung in der Abschiebehaft", kritisierte Jens-Uwe Thomas vom
Berliner Flüchtlingsrat. Die für den Abschiebegewahrsam
zuständige
Polizeibehörde reagierte gestern prompt. "Wir werden alle
Vorwürfe
genau prüfen", sagte ein Sprecher. Mehr noch: Auf Grund der
Angaben der
Insassen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener
Hilfeleistung gegen das Wachpersonal eingeleitet.
Abdelhamid B.
liegt noch im Krankenhaus. Die Abschiebung des Algeriers wurde jetzt
ausgesetzt. Er soll, wenn er wieder gesund ist, in einem
Asylbewerberheim untergebracht werden.
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Mehr als 100 Nationen
Im
Abschiebegewahrsam Grünau sitzen mehr als 300 Männer und
Frauen aus
mehr als 100 Nationen, denen Deutschland kein Bleiberecht gewährt.
Es
sind abgelehnte Asylbewerber, die nicht freiwillig ausreisen wollten
oder illegale Einwanderer ohne Papiere.
Um die Häftlinge kümmern
sich 350 Beamte, Wachpolizisten und Mitarbeiter des
Landeseinwohneramtes (LEA). Die Häftlinge warten in Grünau,
bis das LEA
geklärt hat, in welches Land sie abgeschoben werden können.
Die
Ausländerbehörde muss einen Haftantrag stellen, um jemanden
in den
Gewahrsam zu bringen. Ein Richter bestimmt, wie lange die Haft dauern
darf. Jedes Jahr durchlaufen 4 000 Menschen die Abschiebehaft.
Nach
dem Gesetz soll der Abschiebegewahrsam nicht der Bestrafung dienen,
sondern die Abschiebung ermöglichen. Offiziell gilt er nicht als
Gefängnis, weil die Häftlinge keine Straftaten begangen
haben. Der
Gewahrsam untersteht nicht der Justiz sondern der Polizei. Jugendliche
unter 16 Jahren sind offiziell von der Haft ausgenommen.
Mit
Hungerstreiks protestieren Häftlinge immer wieder gegen ihre
Abschiebung, gegen die Ungewissheit über ihre Zukunft und das
lange
Warten. Derzeit befinden sich zwei Häftlinge in Grünau im
Hungerstreik.
Ein
Häftling verbringt nach Angaben der Polizei im Durchschnitt 18
Tage in
Grünau, bis das Landeseinwohneramt eine Abschiebung veranlasst.
Viele
Insassen im Abschiebegewahrsam Grünau stammen aus den Staaten der
ehemaligen Sowjetunion, aus Jugoslawien oder Bulgarien. Dies sind alles
Länder, in denen die politischen Verhältnisse keine
Asylgründe
rechtfertigen.
"Mir ist nie bekannt geworden, dass Häftlinge
einen Infarkt simuliert haben. " Seelsorger Dieter Ziebarth
Quelle:berliner-zeitung-
Hungern
bis zur Revolte
Seit
über vier Wochen sind mindestens neun Häftlinge im
Abschiebeknast Grünau im Hungerstreik. Sie protestieren damit vor
allem
gegen lange Haftzeiten. Insassen berichten von Polizeischikanen
VON FELIX LEE
Der seit vier Wochen
andauernde Hungerstreik im Abschiebegefängnis
Grünau wird weiter fortgesetzt. Zwar haben die
Flüchtlingsinitiativen
den Überblick verloren, wie viele der Häftlinge die
Nahrungsaufnahme
verweigern. Der Gefängnispfarrer Dieter Ziebarth geht aber davon
aus,
dass die Zahl immer noch bei mindestens neun liegt. Genaue Angaben
konnte er nicht machen, weil nach den Verwüstungen der dritten
Etage am
Samstag durch die Insassen alle Hungerstreikenden voneinander getrennt
und über das gesamte Gefängnis verteilt wurden. Die
Streikenden hätten
jetzt untereinander keinen Kontakt mehr.
Am 7. Mai
war es in Grünau zu der größten Gefängnisrevolte
seit Jahren gekommen. Während einer Demonstration von rund 140
Unterstützern draußen vor dem Gebäude brachen 15
Bewohner eine Eisentür
auf und versuchten zwei Fensterscheiben einzuschlagen, um in Kontakt
mit den Demonstranten zu treten. Nach Polizeiangaben griffen sie auch
das Personal an.
Der
Hungerstreik hatte am 18. April begonnen, nachdem zwei
Tage zuvor ein palästinensischer Insasse von einem Polizeibeamten
misshandelt worden sei. Nach Angaben der Initiative gegen Abschiebehaft
wollte die Anstaltsleitung an diesem Tag die Insassen einer ganzen
Etage verlegen. Als sich der Palästinenser weigerte, habe ihn ein
Beamter in den Polizeigriff genommen und mehrmals mit dem Kopf gegen
die Wand gestoßen. Die ärztliche Untersuchung des Verletzten
ergab
einen gebrochenen Finger, ein kaputtes Handgelenk und eine Platzwunde
am Kopf. Aus Protest traten nach diesem Vorfall 18 Insassen in den
Hungerstreik.
Für
die Initiative gegen Abschiebehaft und die
"Antirassistische Initiative (ARI) war es zunächst schwierig,
herauszufinden, weswegen die Insassen überhaupt so lange streiken.
Der
misshandelte Palästinenser ist per Gerichtsbeschluss inzwischen
aus der
Haft entlassen, zwei der sieben Zeugen sind abgeschoben - eine wohl
gängige Praxis in Grünau, um zu erreichen, dass Ermittlungen
nach
Übergriffen ergebnislos bleiben. Inzwischen war aber klar, dass
der
Protest der 18 Flüchtlinge sich auch gegen die allgemein langen
Haftzeiten richtet. Einige von ihnen sitzen bereits mehr als 6 Monate
in Grünau, darunter vor allem Palästinenser, bei denen eine
Rückführung
nach Palästina oder in den Libanon derzeit gar nicht möglich
ist.
Die
Hungerstreikenden berichten von Polizeischikanen und
dass Einzelne von ihnen in Isolationshaft genommen wurden, um den
Streik abzubrechen. Die Polizei dementiert dies.
Pfarrer
Ziebarth berichtet, dass die Meinungen der
Häftlinge zu der Revolte am Samstag auseinander gingen. Einige
hätten
Angst gehabt, selbst verletzt zu werden, andere sagten, dass es
irgendwann so kommen musste. Die Stimmung sei in letzter Zeit einfach
zu angespannt gewesen.
Quelle:taz.de