widerstandimabschiebeknast 2005.
Widerstand im Abschiebeknast und Abschiebelager










Polizeiabschiebehaft Berlin-Grünau - lebensgefährlich?
 Freitag, 03.Juni. Presseerklärung des FR Berlin

Beinahe-Todesfälle häufen sich Als Konsequenz aus der Serie von Beinahe-Todesfällen in der Polizeihaftanstalt Grünau muss nach Auffassung des Flüchtlingsrates der Polizei die Zuständigkeit für die medizinische Versorgung in der Abschiebehaft entzogen und diese in die Verantwortung unabhängiger ÄrztInnen in freier Trägerschaft gegeben werden. Auch ein Polizeisanitäter muss in jedem Fall umgehend eine ÄrztIn bzw. NotärztIn hinzuziehen. Eine unabhängige ÄrztIn muss rund um die Uhr in der Haftanstalt verfügbar sein. Auch die derzeit völlig ineffektive Sozialarbeit sollte an Stelle der Polizei von unabhängigen Trägern wahrgenommen werden.
28. Mai 2005.
In Berlin ist es schwül, 35 Grad im Schatten. In Station 3/1 des aus DDR-Zeiten stammenden Betonplattengefängnisses sind die Zellen der die Häftlinge noch immer mit käfigartigen Gitterstäben abgetrennt, sie können deshalb die Fenster nicht selbst öffnen. Die als Wärter eingesetzten Polizisten lassen sich am Samstagabend nur ungern stören. Der 27 jährige Algerier Abdelhamid B. leidet an starken Brustschmerzen und verlangt immer wieder dringend ärztliche Hilfe. Die Polizisten halten sich selbst für medizinische kompetent - einige haben eine Sanitäterausbildung - und erklären Herrn B., er müsse bei der Hitze mehr trinken. Sie verweigern ihm über vier Stunden ärztliche Hilfe. Erst nachdem die andere Häftlinge massiv damit drohen, "Probleme" zu machen, bringen die Polizisten B: mit einem Gefangenentransporter ins Krankenhaus. Dort wird ein Herzinfarkt festgestellt, B. hat nach Aussage der Ärzte nur knapp überlebt.

Einen ähnlichen Vorfall - verweigerte Hilfeleistung bei einem Herzinfarkt - gab es bereits im Dezember 2001
2. Dezember 2001.
Sonntagabend in der Abschiebehaft Grünau. Der 27 jährige Kosovo-Albaner Zenum R. verlangt wegen akuter Beschwerden (Schmerzen, Erbrechen, Atemnot, Kreislaufinstabilität und Todesangst) dringend ärztliche Hilfe. Polizeisanitäter diagnostizieren einen "verdorbenen Magen" und verabreichen falsche Medikamente. Sie informieren weder die Polizeiärztin noch den Notarzt von Feuerwehr oder Kassenärztlicher Vereinigung. Erst am nächsten Tag wird der Gefangene von der nun anwesenden Polizeiärztin untersucht. Es werden weder ein EKG gefertigt noch Laboruntersuchungen veranlasst oder ein Facharzt hinzugezogen, Herr R. wird wieder in seine Zelle gebracht.

Erst nach weiteren 12 Stunden, nachdem Herr R. in anhaltender Todesangst aus seiner Zelle per Handy über 110 die von außen kommende Polizei um Hilfe ruft, droht seine Zelle anzuzünden, und der Anstaltspfarrer massiv interveniert, wird der Schwerkranke von der Polizei - mit auf dem Rücken gefesselten Händen - in die Notaufnahme des DRK-Krankenhauses Köpenick gebracht. Dort wird ein akuter Herzinfarkt diagnostiziert. Wegen der zu spät eingeleiteten Behandlung ist mit bleibenden Schäden zu rechnen.

Der Flüchtlingsrat hat den Fall in seiner Pressemitteilung vom 07.03.2002 ausführlich dokumentiert.

Das Gericht bagatellisiert den Vorfall später und zeigt gegenüber der angeklagten Polizeiärztin Milde, vgl. TAZ vom 18. Januar 2005, Eine Behandlung ohne jegliches Gespür


25. Oktober 2002.
Die 31jährige Annie B. aus Ghana ist, obwohl im 6. Monat schwanger, seit drei Wochen in Grünau inhaftiert. Sie klagt seit einer Woche über akute, starke Schmerzen im rechten Unterbauch. Bereits seit zwei Monaten hatte sie abdominelle Beschwerden mit Erbrechen. Dennoch bleibt sie inhaftiert, externe ärztliche Hilfe wird ihr verweigert. Als Frau B. aufgrund ihrer starken Schmerzen schließlich doch in die DRK-Klinik Köpenick gebracht wird, muss sie noch am gleichen Abend notfallmäßig operiert werden – wegen einer akuten, lebensbedrohlichen Blinddarmentzündung.


16. Mai 2003.
Der 48jährige Ebou K. wird am nach fünf Wochen Abschiebehaft aus dem Polizeigewahrsam Grünau nach Gambia abgeschoben. Unmittelbar vor dem Abflug am 16.05.2003 wird der Lebensgefährtin von Herrn K. vom BGS die Möglichkeit eingeräumt, sich zu verabschieden. Dort zeigt sich der Frau ein völlig kraftloser Mensch, der kaum in der Lage ist, auf eigenen Beinen zu gehen und offenbar nicht vollständig orientiert ist. Sein Blick geht ins Leere. Medikamente, die Herr K. in der Abschiebehaft nahm, wurden ihm nicht mitgegeben. Bei Ankunft in Gambia soll er kaum ansprechbar und vollkommen kraftlos gewesen und bis zu seinem Tod bettlägerig gewesen sein. Er habe sich ständig übergeben.
Am 19. Mai 2003 stirbt Herr K.


Weitere Fälle
mangelhafter und unterlassener medizinischer Versorgung in der Abschiebehaft in Berlin und anderswo hat die Antirassistische Initiative Berlin in der Dokumentation
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen
festgehalten.




Der Hungerstreik im Abschiebeknast geht weiter

von Initiative gegen das Chipkartensystem

Skandalöse Zustände im Abschiebeknast Grünau – Abschiebung von Zeugen. Seit sechs Wochen brodelt es im Abschiebeknast Grünau, weil sich die dort Inhaftierten gegen Abschiebungen in Folterstaaten wie die Türkei, lange Haftdauern, unklare Zukunftsperspektiven, alltäglichen Schikanen durch das Wachpersonal und unzureichende medizinische Versorgung wehren.
Skandalöse Zustände im Abschiebeknast Grünau – Abschiebung von Zeugen –

Seit sechs Wochen brodelt es im Abschiebeknast Grünau, weil sich die dort Inhaftierten gegen Abschiebungen in Folterstaaten wie die Türkei, lange Haftdauern, unklare Zukunftsperspektiven, alltäglichen Schikanen durch das Wachpersonal und unzureichende medizinische Versorgung wehren.

Seit dem 16. April befinden sich einige Häftlinge im Hungerstreik. Erwurde ausgesetzt, weil die Verantwortlichen die Einsetzung eines Runden Tisches zugesagt hatten. Als deutlich wurde, dass außer einem Gespräch am 27.5. nichts passieren würde, setzten fünf von ihnen den Streik fort.

Am 28.5. zeigte sich wieder einmal, wie recht die Betroffenen mit ihrer Kritik haben:
Erst auf massiven Druck seiner Mitgefangenen und nach stundenlanger Verzögerung wurde ein schwer kranker Mann ins Krankenhaus gebracht. Dort stellt sich heraus, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Für heute, den 3.6. ist die Abschiebung eines der Hungerstreikenden geplant. Er ist Kurde, wird in die Türkei abgeschoben und befürchtet Folter und Gefängnis. Er ist Zeuge des Herzinfarktes gewesen. Zwei weitere Zeugen dieser Misshandlung, die ebenfalls im Hungerstreik waren, wurden diese Woche freigelassen. Ein Tunesier, der ebenfalls im Hungerstreik war, ist abgeschoben und direkt nach seiner Ankunft in Tunesien inhaftiert worden.

Noch immer sind zwei Gefangene entschlossen, den Hungerstreik fortzusetzen.

Um die Forderungen der Gefangenen zu unterstützen und die Zustände im Abschiebegefängnis weiter öffentlich zu machen, findet am

Donnerstag, 9. Juni, 18.00 Uhr S-Bhf. Spindlersfeld eine Kundgebung und Demonstration zum Abschiebegefängnis statt

für das Bündnis antirassistischer Gruppen:
Antirassistische Initiative , Initiative gegen das Chipkartensystem, Komitee zur Unterstützung politischer Gefangener in Iran – Berlin, Berliner Flüchtlingsrat,
Palästinensische Gemeinde Berlin

http://www.chipkartenini.squat.net/

e-Mail:: | Telefon: : 01603410547

3.06.05



Vier Stunden warten bis der Arzt kommt

Ein Häftling im Abschiebegewahrsam erlitt einen Herzinfarkt - das Personal reagierte erst spät

Der Algerier Abdelhamid B. hat im Abschiebegewahrsam Grünau einen Herzinfarkt erlitten - und beinahe wäre er daran gestorben. Denn die Beamten haben nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe geholt. Erst vier Stunden nach dem Infarkt wurde der Häftling ins Krankenhaus gebracht. Dort haben Ärzte dann den akuten Herzinfarkt diagnostiziert. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen das Personal des Abschiebegewahrsams wegen unterlassener Hilfeleistung.

Mithäftlinge des Algeriers hatten sich mit einem Brief an die Berliner Zeitung gewandt. Darin stand, am vergangenen Sonnabend gegen 20 Uhr habe der 27-jährige Abdelhamid B. über starke Brustschmerzen geklagt. Die Mithäftlinge berichten, sie hätten das Wachpersonal durch Rufe und Schläge gegen die Tür darauf aufmerksam gemacht. Die Beamten sollen gelacht und dann gesagt haben: "Ihr seid doch alle krank."

Die Insassen hätten weiterhin "Krach geschlagen", wie sie sagen. Gegen 21.40 Uhr soll dann ein Sanitäter zu Abdelhamid B. gekommen sein und ihm gesagt haben, dass er bei der großen Hitze zu wenig getrunken habe. Eine Ärztin ist am Wochenende nicht im Dienst. Der Zustand des Algeriers habe sich weiter verschlechtert. Weil Mithäftlinge weiter um Hilfe riefen, sei Abdelhamid B. dann nach Ende der Besuchszeit um 22 Uhr zur Sanitätsstation gebracht worden. Dort sei er von dem Sanitäter untersucht worden, der stellte aber keine Auffälligkeiten fest. Abdelhamid B. habe eine Tablette bekommen und wurde auf seine Station zurückgeschickt, erzählen die Insassen. Ein Arzt sei noch immer nicht gerufen worden. Dem Algerier ging es immer schlechter, er sei "blau angelaufen", sagen die Mithäftlinge. Sie schlugen weiterhin gegen die Tür, sie schrien, sie drohten, sie würden "ein Problem machen", wenn nicht etwas geschehe. Um 0.30 Uhr wurde Abdelhamid B. schließlich in ein Krankenhaus gebracht. Aber noch immer war kein Arzt oder Rettungswagen vor Ort, um den Patienten richtig versorgen zu können. Grünauer Beamte fuhren den Kranken mit einem Polizeitransporter ins DRK-Krankenhaus Köpenick.

Dort stellten die Mediziner bei Abdelhamid B. einen akuten Herzinfarkt fest und führten eine etwa zweistündige Herzkatheterbehandlung durch. Abdelhamid B. habe "großes Glück gehabt, dass er überlebte", soll ein Arzt gesagt haben.

Warum das Personal nicht eher reagierte, ist unklar. Der evangelische Seelsorger Dieter Ziebarth sprach gestern von einer sehr ernsten Angelegenheit. "Mir ist nie bekannt geworden, dass Häftlinge im Abschiebegewahrsam einen Herzinfarkt simuliert haben", sagte er der Berliner Zeitung. Der Vorfall sei ein besonders schlimmes Beispiel für die unzureichende medizinische Versorgung in der Abschiebehaft", kritisierte Jens-Uwe Thomas vom Berliner Flüchtlingsrat. Die für den Abschiebegewahrsam zuständige Polizeibehörde reagierte gestern prompt. "Wir werden alle Vorwürfe genau prüfen", sagte ein Sprecher. Mehr noch: Auf Grund der Angaben der Insassen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gegen das Wachpersonal eingeleitet.

Abdelhamid B. liegt noch im Krankenhaus. Die Abschiebung des Algeriers wurde jetzt ausgesetzt. Er soll, wenn er wieder gesund ist, in einem Asylbewerberheim untergebracht werden.

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Mehr als 100 Nationen

Im Abschiebegewahrsam Grünau sitzen mehr als 300 Männer und Frauen aus mehr als 100 Nationen, denen Deutschland kein Bleiberecht gewährt. Es sind abgelehnte Asylbewerber, die nicht freiwillig ausreisen wollten oder illegale Einwanderer ohne Papiere.

Um die Häftlinge kümmern sich 350 Beamte, Wachpolizisten und Mitarbeiter des Landeseinwohneramtes (LEA). Die Häftlinge warten in Grünau, bis das LEA geklärt hat, in welches Land sie abgeschoben werden können.

Die Ausländerbehörde muss einen Haftantrag stellen, um jemanden in den Gewahrsam zu bringen. Ein Richter bestimmt, wie lange die Haft dauern darf. Jedes Jahr durchlaufen 4 000 Menschen die Abschiebehaft.

Nach dem Gesetz soll der Abschiebegewahrsam nicht der Bestrafung dienen, sondern die Abschiebung ermöglichen. Offiziell gilt er nicht als Gefängnis, weil die Häftlinge keine Straftaten begangen haben. Der Gewahrsam untersteht nicht der Justiz sondern der Polizei. Jugendliche unter 16 Jahren sind offiziell von der Haft ausgenommen.

Mit Hungerstreiks protestieren Häftlinge immer wieder gegen ihre Abschiebung, gegen die Ungewissheit über ihre Zukunft und das lange Warten. Derzeit befinden sich zwei Häftlinge in Grünau im Hungerstreik.

Ein Häftling verbringt nach Angaben der Polizei im Durchschnitt 18 Tage in Grünau, bis das Landeseinwohneramt eine Abschiebung veranlasst.

Viele Insassen im Abschiebegewahrsam Grünau stammen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aus Jugoslawien oder Bulgarien. Dies sind alles Länder, in denen die politischen Verhältnisse keine Asylgründe rechtfertigen.

"Mir ist nie bekannt geworden, dass Häftlinge einen Infarkt simuliert haben. " Seelsorger Dieter Ziebarth
Quelle:berliner-zeitung-



Hungern bis zur Revolte

Seit über vier Wochen sind mindestens neun Häftlinge im Abschiebeknast Grünau im Hungerstreik. Sie protestieren damit vor allem gegen lange Haftzeiten. Insassen berichten von Polizeischikanen

VON FELIX LEE

Der seit vier Wochen andauernde Hungerstreik im Abschiebegefängnis Grünau wird weiter fortgesetzt. Zwar haben die Flüchtlingsinitiativen den Überblick verloren, wie viele der Häftlinge die Nahrungsaufnahme verweigern. Der Gefängnispfarrer Dieter Ziebarth geht aber davon aus, dass die Zahl immer noch bei mindestens neun liegt. Genaue Angaben konnte er nicht machen, weil nach den Verwüstungen der dritten Etage am Samstag durch die Insassen alle Hungerstreikenden voneinander getrennt und über das gesamte Gefängnis verteilt wurden. Die Streikenden hätten jetzt untereinander keinen Kontakt mehr.

Am 7. Mai war es in Grünau zu der größten Gefängnisrevolte seit Jahren gekommen. Während einer Demonstration von rund 140 Unterstützern draußen vor dem Gebäude brachen 15 Bewohner eine Eisentür auf und versuchten zwei Fensterscheiben einzuschlagen, um in Kontakt mit den Demonstranten zu treten. Nach Polizeiangaben griffen sie auch das Personal an.

Der Hungerstreik hatte am 18. April begonnen, nachdem zwei Tage zuvor ein palästinensischer Insasse von einem Polizeibeamten misshandelt worden sei. Nach Angaben der Initiative gegen Abschiebehaft wollte die Anstaltsleitung an diesem Tag die Insassen einer ganzen Etage verlegen. Als sich der Palästinenser weigerte, habe ihn ein Beamter in den Polizeigriff genommen und mehrmals mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Die ärztliche Untersuchung des Verletzten ergab einen gebrochenen Finger, ein kaputtes Handgelenk und eine Platzwunde am Kopf. Aus Protest traten nach diesem Vorfall 18 Insassen in den Hungerstreik.

Für die Initiative gegen Abschiebehaft und die "Antirassistische Initiative (ARI) war es zunächst schwierig, herauszufinden, weswegen die Insassen überhaupt so lange streiken. Der misshandelte Palästinenser ist per Gerichtsbeschluss inzwischen aus der Haft entlassen, zwei der sieben Zeugen sind abgeschoben - eine wohl gängige Praxis in Grünau, um zu erreichen, dass Ermittlungen nach Übergriffen ergebnislos bleiben. Inzwischen war aber klar, dass der Protest der 18 Flüchtlinge sich auch gegen die allgemein langen Haftzeiten richtet. Einige von ihnen sitzen bereits mehr als 6 Monate in Grünau, darunter vor allem Palästinenser, bei denen eine Rückführung nach Palästina oder in den Libanon derzeit gar nicht möglich ist.

Die Hungerstreikenden berichten von Polizeischikanen und dass Einzelne von ihnen in Isolationshaft genommen wurden, um den Streik abzubrechen. Die Polizei dementiert dies.

Pfarrer Ziebarth berichtet, dass die Meinungen der Häftlinge zu der Revolte am Samstag auseinander gingen. Einige hätten Angst gehabt, selbst verletzt zu werden, andere sagten, dass es irgendwann so kommen musste. Die Stimmung sei in letzter Zeit einfach zu angespannt gewesen.
Quelle:taz.de









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