Jahreszeiten

Bei meiner Rast, noch fern von meines Berges Gipfel,
schau‘ ich hinunter in ein tiefes Tal.
Durch triste Weiten, dichte Wälder, dunkle Wipfel,
erst undeutlich und schmal, dann sonnenhell und breit
zu mir herauf ein Weg ersteht;
dabei von Zeit zu Zeit in Dunst und Dunkelheit vergeht,
auch scheinbar endend an zu tiefen Seen,
vor Felsen, Feuerwälle, Gräben,
um doch befestigt wieder zu ersteh’n.

Ich hör‘ die Melodien meines Frühlings
aus einer Zeit, in der mein Weg begann,
ich spür‘ die heißen Winde meines Sommers
aus Ebenen, wo mancher Traum zerrann.
Ich fühl‘ des Herbstes Hauch, wie er verklärend weise
über Heut‘ und Gestern schwebt,
und nehm gelassen hin, wie machtvoll er, und dennoch leise
zu meines Berges Gipfel strebt.


Genesen

Ich flog nicht mehr wie einst in meinen Träumen,
genoss nicht mehr den Blick aus fernen Höh’n.
Ich irrte ziellos unter dichten dunklen Bäumen,
konnt‘ über mir den Himmel kaum noch seh’n.

Wo einst es zog mich fort ins ferne Blaue,
durch bunte Blumen, Wald und wilden Wein,
versperrte meinen Weg mir eine triste graue
imaginäre Wand aus hartem Stein.

Wo Flüsse breit in Ozeane münden,
im Horizont vereint sind Himmel und das Meer,
sah ich die Sonne hinter schwarzen Wolken schwinden,
versinken in der Nacht, sternlos und schwer.

Wo Menschen lachen, weinen oder lieben,
da war für mich so fern und fremd die Welt.
Leer, freud- und glücklos, scheinbar abgeschrieben,
so sah ich zu, wie meine Welt zerfällt.

Und doch – den Funken Hoffnung neu zu schüren,
fand irgendwann ich noch einmal die Kraft,
um dieses Leben noch einmal ganz neu zu spüren,
und sag‘: Ich hab’s geschafft, bald ist’s geschafft.


Sommer

Der Sommer brennt in uns’ren Sinnen,
lau sind die Nächte, und wir zwei
erleben, wie die Stunden rinnen,
doch bald schon ist die Nacht vorbei.

Der Morgen lässt uns beide wissen:
Auch dieser Tag wird heiß noch sein.
Doch liegt bereits in uns’ren Küssen
die Frage: Was wird morgen sein?

Vielleicht wird bald das heiße Flimmern
über den Feldern nicht mehr sein,
nicht mehr das zauberhafte Schimmern
der Blumenpracht in Feld und Rain.

Vielleicht schon wird ganz weit dahinten
am Horizont ein Wölkchen zieh’n,
und uns des Sommers End‘ verkünden,
und Blumen werden bald verblüh’n.

 
Herbst

Kühl weht der Wind, die Blätter fallen,
der Sonne Strahl ist matter schon,
am Horizont sich Wolken ballen,
die letzten Vögel zieh’n davon.

Tief unter blassem Himmel liegen
die Gärten, schwer von Rosenduft,
und in des Herbstes Sonne fliegen
silbrige Fäden durch die Luft.

Ich fühl’s: Der Sommer ist vorüber,
gar bald schon ist der Herbst dahin,
die Tage werden kürzer, trüber -
ich fühl‘ den Winter in mir drin…


Eine Weihnachtsillusion

Ich wünschte mir durch Pulverschnee zu stapfen,
im Wald den Reh’n beim Äsen zuzuseh’n,
zu suchen nach vereisten Tannenzapfen,
und über zugefror’ne See’n zu geh’n;
den Schnee zu schütteln von den Tannenbäumen,
der weißen Sonne Hauch auf mir zu fühl’n,
und lächelnd schon vom Weihnachtsstern zu träumen;
zu Haus den „Winter“ von Vivaldi zu genießen,
und all die süßen Sachen ste’n zu lassen,
den Tag mit lieben Menschen zu beschließen
und auch den Fernsehapparat nicht anzufassen,
um keinen Grund zur Traurigkeit zu finden
durch das, was grad‘ geschieht auf Erden,
und dann am Baum die Kerzen anzuzünden.
Ein frommer Wunsch,denn daraus kann nichts werden.


Der traurige Engel

Als er zum ersten Mal die Welt betrat mit unbefleckten Flügeln,
um seines Gottes Botschaft zu verkünden:
Einer wird kommen und die Welt den Frieden lehren,
kam Hoffnung auf und Zuversicht,
dass die Vernunft würd‘ siegen.
Die Hoffnung trog, und die Vernunft wich dem Verrat und wildem Hass.
Und tiefe Traurigkeit beschattete das Antlitz jenes Engels,
und seiner Flügel einstmals makelloses Weiß
war fortan rußgeschwärzt.

Die Botschaft jenes hoffnungsvollen Engels mahnt Jahr für Jahr,
nun schon seit zwei Mal tausend Jahren, in einer Winternacht,
der Zeit der Ankunft jenes Einen, zu Frieden und Vernunft
die Menschen in der Welt,
und zaubert jenes Lächeln auf die Menschenmienen,
das ihm, dem Gottesengel,
seit zwei Mal tausend Jahren fehlt.


Für Jonas

Ich bin gewiss, mein lieber Kleiner,
dass sorgend Liebe dich umfängt,
dass niemals auch nur irgendeiner
deine kleine Seele kränkt,

dass du behutsam wirst geleitet,
im Leben niemals bist allein
in einer Welt, die uns bereitet
zu Glück und Freud‘ auch Leid und Pein.

Ich hoff‘ für dich, dass klug und heiter
auch Schicksalsschlägen stand du hältst,
dass du auf deiner Lebensleiter
nie abrutschst, und wenn, sanft du fällst,

und auffängt dich an deiner Seite
ein Mensch, der liebend dich versteht,
der jeden Weg, auch dunkle, weite,
mit dir bis an sein Ende geht.

Mein größter Wunsch, ein Traum, ein Sehnen:
Dass niemals dich ein Krieg verschlinge
und deine oder and’rer Tränen
niemals ein „Heldenlied“ besinge!