jetzt alle hingingen, nahe der Tür, trank Wein und unter-
kam und setzte sich zu mir. Ich schaute in sein Gesicht,
in dem alles so groß und weitläufig war, die Nase, die
ein bisschen in dieser Landschaft, ich mochte ihn wirklich,
er war ein feiner Kerl. Das Bittersüße des Mandelbaums
hatte er mir gezeigt, die schwarze Milch und die Asche
Claasens, die auf dem Herzen klopft. Sein schwatzkantiges
Wien hatte ich kennen gelernt und das Lachen im Keller
genug, die Wörter fliegen wie Sandkörner durch mein Gehirn.
Nichtigkeit der Wörter soll für immer untergehen in den
Farben. Ich sehne mich nach einem gewaltigen Bilderrausch.“
"Ich will schreiben Peter. Ich versuche kleine Szenen zu
beobachten, zum Beispiel wie Menschen ein Lokal betreten.
Ich finde das spannend." "Mach es einfach, Rebekka.
Schreib jeden Tag ein bissel was, es wächst in Ringen,
herein mit forschem Gesicht, warf ruckartig Blicke nach allen
Seiten wie ein Revolverheld. Erfreut über mein Gekicher lief
er wieder hinaus und kam ganz schüchtern herein mit verstör-
tem Gesicht, dann wieder, in den Knien gebeugt, viel kleiner,
fragend; wieder und wieder verwandelt kam er herein und ich
Nacht und kam herein, tat als bemerkte ich die beiden nicht,
schaute mich forschend um und ließ mich anschauen, bis ich die
beiden ins Blickfeld bekam, dann sprintete ich strahlend auf
Roman zu, breitete meine Arme aus, und sagte fordernd "Du.
Dich will ich." Roman lächelte. "Das ist stark. Machen wir ein
Kind, Rebekka. Ich weiß nicht, ob ich so einfach eins machen
kann. Wir können ja ein Retortenbaby machen. Ich meine
in deinen Bauch pflanzen." Ich schaute ihn unbehaglich an. "
Rebekka soll schreiben, das will sie", schimpfte Peter. "Ich wün-
sche mir aber auch ein Kind. Beides soll sein. Das will ich." Ich
sprang auf und warf meinen Sessel um. "Heb ihn auf!", rief ich
wild Roman zu, Roman blieb sitzen. "Heb ihn auf!" schrie ich
noch einmal und schüttelte meine Haare durch den Raum. Ein
junger Mann mit einem frischen, offenen Gesicht, schmal, fast
mager mit scharfgeschnittenen Zügen und sehr kurzem Blond-
haar bahnte sich einen Weg von der Theke auf mich zu. Er trug
eine Blumenvase mit vielen Frühlingsblumen, die er offenbar
Händen fest vor mir auf den Tisch. "Gregor", sagte er und hob
den Sessel auf. Er schaute mich an und sagte "Kundera". Ich
nickte "Marquez", sagte ich. Er "Paolo Conte". "Ja.", antwortete
ich." Gregor ist ein schöner Name. Ich werde meinen Sohn
Gregor nennen. Ich heiße Rebekka". Er "In einer Woche, gleiche
Zeit, gleicher Platz" und weg war er. "Du freundest dich aber
schnell an", giftete Roman.
Peter sagte "Du wirst viele Kinderchen bekommen in vielen
Während Peter von den Farben zu erzählen begann, die er in
meine Melone und mein Sakko, verbeugte mich liebenswür-
dig und wanderte einsam und fröhlich Richtung Hernals in
Es schrie und ich ließ seine Schreie durch mich durch wie
Messer. Das Baby schrie unerbittlich das Duftende, Warme,
Weiche, Runde an. Dort musste alles sein, was es brauchte.
Alles. Es kam nicht. Sein Körper krümmte sich vor Schmerzen,
vor Hunger, vor Sehnsucht, vor Angst. Getrenntheit. Absoluter
Schmerz. Das da war da. Das Baby roch es, leckte, biss hinein,
saugte mit aller Kraft. Nichts. Die Verzweiflung schüttelte es.
Ich saß ganz oben in den dünneren Ästen des Apfelbaumes
und schaute dem Eichhörnchen zu, wie es elegant zwischen
den Bäumen hin und her sprang und dabei Töne von sich gab
Der Himmel war tiefblau, der Baum breitete sich mächtig aus
rund um mich und ich fühlte mich sehr geborgen in meinem
Garten. Ich freute mich, dass der Garten, mein verwunschener
Dornröschengarten rundum von anderen Gärten umgrenzt
und für jeden unerreichbar war. Ich lehnte mich an den Stamm
und versuchte die unterschiedlichen Grüntöne des Baumes zu
sehen. Das Licht in den Blättern. Zahlloses Grün.
Ich kletterte vom Baum, brach Salbei und verbrannte etwas
davon. Mitten im Garten legte ich einen Kreis aus
großen weißen Flusskieseln. Ich setzte mich in die
Mitte und schwieg feierlich. In ein Stück Holz ritzte
ich lange Zeichen für alle Verletzungen, die Gregor mir zugefügt hatte. Dann begrub ich das Holz und den Ärger.
In den kleinen Springbrunnen legte ich einen Bergkristall.
Mit großem Ernst brachte ich eine Schale Milch zum Was-
ser als Geschenk für die kleine Schlange, die dort wohnte.
Ich wachte auf. Ich tauchte auf aus einem tiefen Brunnen,
aus einer unendlichen Ferne. Das Baby schrie, es klammerte sich an. Es gibt deins mein Kind, es gibt deins. Ich stand auf und trug das aufgelöste kleine Wesen durch die Wohnung. Legte mich wieder hin. Und dann spürte ich. Aus den Tiefen kam es angebraust. Fast hörte ich es. Es kam mit Gewalt, es tat weh, es drückte meinen Busen innen auseinander, das
Baby schob sich seitwärts zum Brunnen und saugte sich fest,
weißes Licht, Überfließen, die Quelle, der zarte Körper, das
lustvolle reiche Saugen, kleine Schauer auf meiner Haut. Der
mehr ist drinnen. Wie in der Liebe. Alles ist da.
Ich ordnete alle Dinge im Haus, ein großer Frieden war über
mich gekommen, als hätte ich stundenlang geschlafen.
Gregor kam und ich gab ihm zu essen. Er redete, er redete, er
redete. Stundenlang erzählte er von der Arbeit. Ich hörte ihm
zu, nickte, machte Anmerkungen. Dann legte ich das große
Küchenmesser auf den Tisch. Die Spitze zielte auf Gregor.
Dann begann ich ohne Umstände mitten in seine Rede hinein
zu erzählen. Ich erzählte vom Zauberbrunnen und vom Berg-
kristall, von der Milch für Hannah und für die Schlange.
Gregor staunte mich an: "Ich dachte, du erlebst nichts und
hättest nur Belastungen. Ganz schön verrückt, was du erzählst
und schön irgendwie. Ich wär froh, wenn ich da auch irgend-
wo vorgekommen wär, wenn da irgendwo Platz wäre für
mich." " Tag und Nacht, Wochen und Monate hab’ ich
immer nur ein bis drei Stunden geschlafen. Das ist das Ge-
schenk, das ich bekomme. Komm zu uns, schlaf bei uns, teil
mit uns. Gregor, bitte.“ Gregor grinste schief. "Was willst du,
Ich schaute ihn bestürzt an. Ich sprang auf, holte Honig und
bestrich das Küchenmesser damit, dann leckte ich mit hoher
Aufmerksamkeit den Honig von der Schneide, langsam und
angespannt. "Wenn man seine Gedanken darauf fixiert, sich
nicht am Messer zu schneiden, spürt man keine Schmerzen
mehr.", sagte ich wild in Gregors Augen. "Gute Nacht", ich
ging aus dem Zimmer und schloss sorgfältig die Tür.
Ich saß nackt vor dem großen dunklen Spiegel, der fast blind
war und beobachtete die Linien meines müden, nun volleren
Gesichts. Gregor lebt hier nicht mehr. Hinter die Schleier ge-
sehen mit weltalten, schwarzen Augen. Meine Mutter bäckt
Kuchen. Grillengezirp und Vogelgezwitscher. Das Feuer,
das in mir brennt. Das lustige Weiberleben, das alte Weiber-
wissen, die Lebensfreude, die Liebhaber, die sich heimlich
davonstehlen. Wie lustig das Leben sein könnte. Die Freude
und der Reichtum der Brunnen, der Gärten sind verloren. Ich
Mangel. Verzweiflung. Überfluss. Nahrung. Lust. Körpern.
Das zarte Körpern. Das Greifen, das Fließen. Zauberbrunnen
Roman und Peter tanzten Tango, sie schmiegten Bein an Bein,
sie schlängelten sich durch den Rhythmus der Nacht unter dem johlenden Beifall der Freunde. Es wurde gefeiert. Ich saß da und bewunderte sie. Sie feierten Peters Erfolg. Seine Schattenbilder hatten die besten Kritiken, Roman schrieb Lobeshymnen für die Zeitungen. Hannah schlief im Bett nebenan und ließ sich von dem Lärm nicht stören.
Bald saß Roman neben mir. "Es gibt fast keine Sprache für
meins, ich bin müde", lächelte ich. "Ist es ein Problem
für dich, dass Peter so erfolgreich ist und deine Gedichte
kaum einer kennt, nur so hoffnungslose Fans wie ich eine bin?" "Bohre nicht in meinen Wunden. Natürlich ist das schwierig.“ "Ich frage nur, weil kaum einer mein Kind
kennt, du hast sie niemals angeschaut, mich niemals
besucht, seit sie bei mir ist. Das ist hart." "Ich verstehe
nichts von diesen kleinen Monstern und ihre Mütter haben wenig Zeit." "Ich brauche dich, Roman. Es könnte auch dein Kind sein." "Welches Stück von mir brauchst du Rebekka?", grinste Roman. "Dich ganz, kein abgetrenntes Stück, du bist
in meinen Augen nicht einer von diesen kastrierten Männern, die nur ein Stück geben können." "Soll ich nachts das Baby wickeln, weil Gregor keine Lust dazu hat, ist es das?" "Ich brauche Gegenwart, unerhörte Gegenwart und Auf-
merksamkeit, etwas, was die Männer den Frauen in diesem Land nicht zu geben bereit sind. Hingabe. Ohne Forderung. Ich will alles." "Weshalb sollte es etwas geben, was keinen Preis hat, Rebekka?" "Weil das die Liebe ist. Ich habe es gelernt von Hannah, sie hat mich gelehrt, was Hingabe ist." "Du willst ein Verschmelzen, wie eine Mutter mit ihrem
Baby noch teils verschmolzen ist, weil sie es mit ihrem
Körper nährt." "Ich fordere Hingabe, die restlose Hingabe! Die Hingabe eines erwachsenen Mannes, nicht die des bedürftigen Kindes in diesem Mann. Ihr habt alle Angst.
Und Hingabe heißt geben, da sein, geben ohne Rechnung, Aufmerksamkeit. Ich denke, es wird nicht gehen ohne ein lustiges Weibervolk rundum.
Doch wir könnten es immerhin versuchen in das Land hinter
den Spiegeln, in das Land der Zauberbrunnen zu kommen, in
dem alles Überfluss ist, wenn die Sehnsucht zuvor Körper, Herz und Hirn zerrissen hat und.. Ich bin gekommen um dich mitzunehmen, mit in den Schmerzton, den Sehnsuchtston, in die geisterhafte Musik der unerhörten Gegenwart. Ich muss gehen."
Ich wickelte mich in meinen dunkelroten Sari, holte Hannah,
setzte mich vor Roman auf den Boden, stillte das Kind und