WILLKOMMEN
bei Marianne Marlene Peternell

Anfang eines Krimis zum selber Weiterschreiben

 

Ich beobachtete die Schmeißfliegen, die sich in der Hitze auf die Wurstsemmeln setzen wollten und schwitzte. Ich hatte schon genug von diesem Job. Ich wickelte die Wurstsemmeln in Plastikfolie. Drecksarbeit. Wie kann man bloß so etwas machen? Ich mach das nur jetzt. Ich. Ich bin Kurt. Kurt Aufschneider, 50 Jahre, durchtrainiert und stehe für ein paar Tage in dieser heißen Würstelbude. Drüben am Donaukanal wartet mein Büro. Nichts Besonderes. Es sind nur zwei Räume. Ein Zimmer mit Zeitschriften und Sesseln, den ich den Wartesalon nenne und dann mein Allerheiligstes: Ein Raum mit Schreibtisch, Telefon, Aktenschrank und jeder Menge Staub. Ein Stuhl steht hinter und vor dem Schreibtisch. Einer für mich und einer für den Klienten, sofern einer kommt. An der Tür hängt ein Schild. Kurt Aufschneider, Detektiv, private Ermittlungen jeder Art. Und tatsächlich. Manchmal verirrt sich einer zu mir. So wie gestern.

Es regnete und ich hatte schon ein paar Whisky sour intus, weil nichts weiter ging außer die Zeiger der Uhr. Plötzlich schellte die Glocke, die anzeigte, dass jemand meinen Wartesalon betreten hatte. Ich schaute hinaus, sagte „Nur weiter, bitte.“ Und herein kam ein glatzköpfiger, sehr dicker, kleiner Mann. Ich hätte ihm auf den Schädel spucken können. Aber ich unterließ es, er war ja mein Geschäft. Er war im Regenmantel und zupfte nervös an einem runden Hut, den er abgenommen hatte und nun mit beiden Händen hielt. Er saß an der vordersten Kante des Besucherstuhls, als er mir seine Geschichte verklickerte. Er hieß Hermann Weiß, war 30 Jahre alt, er war Hilfsarbeiter und er war verzweifelt. Die große Liebe seines Lebens war spurlos verschwunden. Anna Rainer, erst 21 Jahre alt, lange schwarze Haare, Bankbeamtin und zart gebaut, hatte er vor sechs Wochen kennen gelernt und seither jede freie Minute mit ihr verbracht. Er zeigte mir mit fahrigen Fingern ein verknittertes Foto. Es war eine recht hübsche Schnecke und ich fragte mich, was die wohl an dem fetten Hermann Weiß gefunden haben mochte. Na jedenfalls war sie plötzlich von einem Tag auf den anderen verschwunden. Sie war weder in der Arbeit noch in der Wohnung aufgetaucht und hatte sich auch bei ihm nicht gemeldet. Er wollte nicht zur Polizei gehen, denn er wollte sie nicht in Schwierigkeiten bringen, falls sie schon irgendwelche Schwierigkeiten hatte und untertauchen musste. Aber er wollte, dass ich sie fände. Möglichst rasch und unauffällig. Er gab mir die Adresse ihrer Großmutter, einer Bäuerin im Ruhestand, von der er wenig wusste, nur dass sie Josefine Rainer hieß, im Waldviertel wohnte, 75 Jahre alt , kerngesund, rosig und lieb war und dass Anna und er sie irgendwann gemeinsam besuchen wollten. Außerdem gab er mir noch einen wichtigen Hinweis. Anna arbeitete manchmal als Babysitterin in einer Villa im 18. Bezirk bei einem gewissen Max, einem achtjährigen lieben Buben, goldgelockt und zu klein für sein Alter. Der Mann war gut im Beschreiben. Er hätte Polizist werden sollen. Obwohl er nicht nach Geld aussah, übernahm ich den Job. Ich hatte keinen anderen.

Zuerst fuhr ich natürlich in Annas Wohnung, um mich dort umzusehen. Ich fand einen Notizkalender und ein Adressbuch. Da hatte ich bald die Telefonnummer von Maxens Eltern. Ich wollte nicht dort anrufen. Aus dem Kalender war ersichtlich, dass Anna an dem Abend verschwunden war, als sie bei Max gewesen war. Also musste ich mir etwas einfallen lassen. Kurz entschlossen mietete ich einen Würstelstand und baute ihn gegenüber von Maxens Haus auf, um alles Seltsame dort unauffällig beobachten zu können. Jetzt schwitze ich also hier in der Gymnasiumstrasse, verkaufe Würsteln und verjage Schmeißfliegen. Und da kommt ein Bub auf mich zu. Das müsste Max sein.