Unternehmerisches Denken und Handeln

Als Bildungsziel eines unternehmerischen Denkens und Handelns kann die Herausbildung mündiger Bürger („Citoyen") bezeichnet werden. Im Kontrast zu einer Vermittlung von rein fachlichen Inhalten kann unternehmerisches Denken und Handeln als eine Kompetenz verstanden werden (vgl. Fleischer 2013, S. 113), bei der es „weniger um die Vermittlung von Wissen über den Gegenstand der Unternehmensgründung, als vielmehr um die Entwicklung einer Reihe subjektiver, an die Person gebundener Fähigkeiten und Kompetenzen" (Krämer 2007, S. 76) geht. Sie vermittelt jungen Menschen das Rüstzeug, um Herausforderungen in verschiedenen Alltags- und Lebenssituationen eigenständig zu bewältigen (vgl. Kirchner & Loerwald 2014, S. 10). Mit dem Ziel „[…] to help individuals and organizations of all kinds to create, cope with and enjoy change and innovation involving higher levels of uncertainty and complexity as a means of achieving personal fulfillment” (Gibb 2000, S. 89) dient unternehmerisches Denken und Handeln einer „handlungs- und praxisorientierte[n] Persönlichkeitsförderung” (Bijedić 2013, S. 37).

In der Konfrontation mit komplexer werdenden Herausforderungen erachten Kirchner und Loerwald Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Verantwortungsübernahme sowie eine Offenheit für unkonventionelle Wege als Ausdruck von Kreativität, Innovation und Risikobereitschaft als nützlich (vgl. Kirchner & Loerwald 2014, S. 48). Durch das hohe Maß an individuellem Handlungsspielraum eignen sich diese entrepreneurialen Qualifikationen vortrefflich, um Lernende für die kompetente Bewältigung von Alltags- und Lebenssituationen in einer sich stetig wandelnden Gesellschaft zu befähigen (vgl. Kirchner & Loerwald 2014, S. 47 f). Neben der Möglichkeit auf freie Ausgestaltung des individuellen Lebensweges unterstützen die Qualifikationen Lernende, frühzeitig und reflektiert Entscheidungen zu treffen sowie Verantwortung, sowohl für sich selbst als auch für andere, zu übernehmen (vgl. Kirchner & Loerwald 2014, S. 47 f). Eickhoff plädiert daher dafür, unternehmerisches Denken und Handeln in sämtliche Bildungsabschnitte einzubinden und fordert ausdrücklich, dabei auch Lernende an allgemeinbildenden Schulen zu berücksichtigen. Grundsätzlich solle jeder über die Kompetenzen zu unternehmerischem Denken und Handeln verfügen (vgl. Eickhoff 2007, S. 36).

Die herausragende gesellschaftspolitische Bedeutung einer Kompetenz unternehmerischen Denkens und Handelns hat auch die Europäische Union erkannt und unter dem Synonym „entrepreneuriale Schlüsselkompetenz“ (vgl. Kirchner & Loerwald 2014, S. 10) zum Gegenstand von bildungspolitischen Diskussionen erhoben. Mittlerweile nimmt die entrepreneuriale Schlüsselkompetenz als eine lebensüberspannende Entwicklungskompetenz eine zentrale Rolle in der Strategie „Europa 2020“ ein (vgl. Europäische Kommission 2011, S. 2). Mit dieser Strategie wird das Ziel der Lissabon-Agenda, Europa als wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln, weiterverfolgt (vgl. Scherb 2012, S. 610 ff.).

Neben sozialen, interpersonalen, bürgerschaftlichen, kulturellen, sprachlichen, naturwissenschaftlichen und technologischen Kompetenzen soll auch die entrepreneuriale Kompetenz als eine von acht Schlüsselkompetenzen Einzug in den Schulunterricht erhalten und durch Weiterbildung und lebenslanges Lernen vertieft werden (vgl. Vollherbst o. J., S. 14). Sie fördere neben Selbstständigkeit, Mündigkeit, Kreativität auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen (vgl. Creuznacher 2009, S. 97) und ist auf diese Weise bei der Umsetzung von Ideen sowie beim Lösen von Problemen behilflich (vgl. Europäische Kommission 2011, S. 9; Europäische Gemeinschaft 2007, S. 11). Hieran wird deutlich, dass unternehmerisches Denken und Handeln keine Einzelkompetenz ist, sondern eine Auswahl an (Schlüssel-)Qualifikationen umfasst. Als „entrepreneuriale Tugenden“ (Aff et al 2012, S. 188), bzw. „Attribute unternehmerischen Handelns“ (Creuznacher 2009, S. 97) stellen diese Persönlichkeitseigenschaften eine Prämisse für die Herausbildung von Citoyens und somit für die Entwicklung einer wirksamen Zivilgesellschaft dar (vgl. Aff et al 2012, S. 187 f.).

 

Quelle: Andersen, A. & Kleber, K. (2016): Dokumentation - Schöne neue Welt, Eco Media TV: Deutschland, USA.

Literaturverzeichnis:

Aff, J., Fortmüller, R., Kaiser, F.-J. & Kurmeleva, A. (2012). Entwicklung und Implementierung nach-haltig wirksamer Strukturen zur Entrepreneurship-Erziehung in der Russischen Förderation (RF) und Tadschikistan (TD) - EINSEE. In T. Retzmann (Hrsg.), Didaktik der ökonomischen Bildung Wochenschau Wissenschaft: Entrepreneurship und Arbeitnehmerorientierung Leitbilder und Konzepte für die ökonomische Bildung in der Schule (S. 183–196). Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verl.

Bijedić, T. (2013). Flensburger Schriften zu Unternehmertum und Mittelstand. Bd. 4: Entwicklung unternehmerischer Persönlichkeit im Rahmen einer Entrepreneurship Education didaktische Lehr-Lern-Konzeption und empirische Analyse für die Sekundarstufe II. Zugl.: Flensburg, Univ., Diss., 2012 (1. Aufl.). München [u.a.]: Hampp.

Creuznacher, I. C. (2009). Mafex. Bd. 13: Persönlichkeitsentfaltung zu unternehmerischen Kompetenzen in Schule und Universität. Eine bildungsökonomische Antwort auf theoretische Zielvorstellungen von Schumpeter. Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 2008. Norderstedt: Books on Demand.

Eickhoff, M. T. (2007). Unternehmerisches Denken und Handeln fördern. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 36(2), S. 36 - 37.

Europäische Gemeinschaften (2007). Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen. Ein Europäischer Referenzrahmen. Zugriff: 21. September 2015.
http://www.kompetenzrahmen.de/files/europaeischekommission2007de.pdf

Europäische Kommission (2011). Entrepreneurship Education: Enabling Teachers as a Critical Success Factor. A report on Teacher Education and Training to prepare teachers for the challenge of entrepreneurship education. Zugriff: 22. September 2015.
http://ec.europa.eu/DocsRoom/documents/9272/attachments/1/translations/en/renditions/native

Fleischer, S. (2013). Unternehmertum macht Schule?! Zur Konstruktion unternehmerischer Arbeitssubjekte durch ein neoliberal inspiriertes Bildungssystem. Zugl.: Aachen, Techn. Hochschule, Diss., 2013. Marburg: Tectum-Verl.

Gibb, A. A. (2000). Enterprise in Education. Educating Tomorrows Entrepreneurs. In P. Mankinen (Hrsg.), Perspectives on the Development of Entrepreneurship and Technical Education in Finnland. Part II & III. Series B: Educational materials and reviews (S. 87–106). Oulu.

Kirchner, V. & Loerwald, D. (2014). Entrepreneurship Education in der ökonomische Bildung. Eine fachdidaktische Konzeption für den Wirtschaftsunterricht. Hamburg: Joachim Herz Stiftung.

Krämer, J. (2007). Die Bedeutung des selbstgesteuerten Lernens im Zuge einer Entrepreneurship Education. In B. Remmel, M. Schmette & G. SEEBER (Hrsg.), Educating Entrepreneurship. Didak-tische Ansätze und europäische Perspektiven (S. 75–88). Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.

Scherb, J. (2012). Lissabon-Strategie (Lissabon-Prozess). In J. Bergmann (Hrsg.), Handlexikon der Europäischen Union (5. Aufl., S. 610–618). Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges.

Vollherbst, G. (o.J.). Entrepreneurial skills - eine Schlüsselkompetenz in der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa. In Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH (Hrsg.), Neue Lernwege durch Schulerunternehmen. Beiträge aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Schule (S. 14–15). Berlin.













































 

 

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