Häufig gestellte Fragen in Zusammenhang mit der Lesch-Nyhan-Krankheit

 

In welchem Alter werden Lesch-Nyhan-Symptome zum ersten mal sichtbar?

Babies im Alter von einer Woche können „orangenen Sand“ in den Windeln haben. Dies ist ein Symptom einer Anhäufung von Harnsäure, was zur Absonderung von Harnsalz führt. Im Altern von drei Monaten treten die ersten bemerkbaren Entwicklungsstörungen auf. Das erste Zeichen ist häufig ein „schwaches Baby“, nicht fähig seinen Kopf zu heben. Mit neun Monaten sind sie weder in der Lage, sich selbst in eine Standposition zu ziehen noch zu krabbeln. Mit zwölf Monaten laufen sie nicht und mit 18 Monaten zeigen sich ungewollte Bewegungen, die ruckartig und verspannt aussehen und durch merkwürdige Arm-, Bein- und Rumpfhaltungen gekennzeichnet sind.

In welchem Alter beginnt die Selbstverletzung?

Selbstverletzung kann im Alter von zwei Jahren auftreten. Sie kann aber auch erst mit zehn oder zwölf Jahren beginnen. Manche Jungen mit der Lesch-Nyhan-Krankheit verletzen sich nie selbst. Im Allgemeinen wird die Selbstverletzung umso schwerer, je früher die Patienten damit anfangen. Die meisten Betroffenen die wir kennen, fangen mit 2 Jahren an.

Wodurch wird Lesch-Nyhan hervorgerufen?

Lesch-Nyhan ist eine genetisch bedingte Krankheit, die von einer Mutation auf dem X-Chromosom hervorgeht. Durch diese Mutation fehlt das Enzym Hypoxanthin Phosphoribosyltransferase (HPRT).

Warum tritt die Krankheit nur bei Jungen auf?

Das Gen ist rezessiv und tritt auf dem X-Chromosom auf. Deshalb können nur Jungs diese Krankheit bekommen. Mädchen sind Träger.

Wird diese Krankheit vererbt?

Ja. Lesch-Nyhan wird oft vererbt, kann aber auch spontan als Folge einer genetischen Mutation auftreten. Ein Drittel aller neuen Fälle sind Folge einer spontanen Mutation. Wenn diese Mutation in einer Frau auftritt, wird diese Trägerin. Erscheint sie jedoch bei einem Mann, bildet dieser die Krankheit aus. Wenn die Mutter die Trägerin der Krankheit ist, ist die Chance 50:50, dass ihr männliches Kind die Krankheit bekommt und ein weibliches Kind Träger wird. Die Krankheit bleibt normalerweise nicht viel länger in der Familie als eine, zwei oder maximal drei Generationen.

Warum verursacht der genetische Defekt Selbstverletzung?

Niemand kennt die Antwort zu dieser Frage. Dies herauszufinden, ist nicht nur für das Verständnis der Lesch-Nyhan-Krankheit wichtig, sondern wäre auch ein großer Durchbruch in der Erforschung der Hirn-Verhaltens-Zusammenhänge.

Wie wird diese Krankheit diagnostiziert?

Der Verdacht kommt auf, sobald orangene Kristalle in der Windel gefunden werden, schwache motorische Kontrolle , z.B. keine Kopfkontrolle besteht . Bei einer Blutuntersuchung ist dann die Harnsäure erhöht.
Die definitive Diagnose wird m.H. von Untersuchung der HPRT-Enzym-Konzentrationen in roten Blutkörperchen oder kultivierten Fibroblasten gestellt.

Ist es möglich, die Diagnose vor der Geburt zu stellen?

Ja. Es ist möglich, die Diagnose der Krankheit vor der Geburt zu stellen, indem Fruchtwasser-Fibroblasten kultiviert und auf das Enzym untersucht werden.

Was ist die Lebenserwartung?

Die Durchschnitts-Lebenserwartung liegt inzwischen bis ca. 40 Jahre. Dies ist jedoch nur ein Durchschnittswert, welcher einer beachtlichen Spanne zugrunde liegt. Durch gute medizinische und psychologische Pflege können Patienten inzwischen viel älter werden.

Was sind die Todesursachen?

Nierenversagen war einmal die Haupttodesursache. Wenn Allopurinol in entsprechender Dosierung verabreicht wird, um die Harnsäure zu verringern, wird ein Nierenschaden deutlich verlangsamt. Allopurinol wurde über 20 Jahre lang benutzt, sodass Nierenversagen nicht mehr länger zu den Todesursachen gehört. Es gibt keine systematischen Studien über die neueren Todesursachen. Es hat den Anschein als  gäbe es keine eindeutige Todesursache. Die Patienten werden immer schwächer, atmen schwerer, essen weniger und interessieren sich nicht mehr für Menschen oder Umgebung. Manche sterben, weil sie anscheinend den Willen zum Überleben aufgegeben haben. Patienten, die mit sich selbst zufrieden sind, scheint es am besten zu gehen.

Welche kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten haben LND-Patienten?

Die Patienten scheinen in vielen Messungen kognitiver und intellektueller Fähigkeiten völlig normal zu sein. Sie haben ein exzellentes Gedächtnis, ihre Emotionen sind angemessen, sie besitzen eine gute Konzentration, sie können abstrakt denken, sie haben eine funktionierende Selbstwahrnehmung und sind sehr sozial. Auf der anderen Seite liegen sie klar unter den Erwartungen akademischer Leistungen. Die meisten Patienten scheinen spezielle Lernschwierigkeiten in Mathematik und Lesen zu haben.
Kognitive und intellektuelle Fähigkeiten sind schwierig zu beurteilen, da unkoordinierte Bewegungen, unverständliche Sprache, absichtliche und irreführende Fehler in Tests es erschweren, angemessene Bildungsmaßnahmen einzuleiten, Fortschritt zu beobachten, Rückmeldungen zu erhalten usw. All das hat dazu geführt, dass Intelligenztests bislang unter Forschern, Lehrern und Eltern umstritten sind.

Was sind Lesch-Nyhan-„Verhaltensmuster“?

Diese Krankheit ist besonders wegen ihrer Verhaltensmuster bekannt. Das „klassische“ Verhalten ist eine einzigartige Form schwerer Selbstverletzung (SIB). Kinder im Alter von zwei Jahren beißen sich auf Finger, Lippen und Mundinnenseite. Wenn diese Verletzungen nicht gehemmt werden, können sie so schwer werden, dass sie zum Verlust von Fingern und Lippen führen. Wenn die Patienten älter werden, denken sie sich immer wieder neue Arten der Selbstverstümmelung aus und versuchen sich unerwartet „absichtlich“ zu verletzen. „Absichtlich“ ist hier in Anführungsstrichen, weil klar ist, dass die Patienten sich nicht verletzen wollen. Sie schreien vor Schmerz und betteln darum, gehindert zu werden.
Während körperliche Selbstverstümmelung die hervorstehende Eigenart ist, gibt es andere unter LND-Patienten weit verbreitete Verhaltenstypen. Sie verletzen sich nicht nur köperlich, sondern sagen und tun Dinge, die ihnen beachtliche psychologische Schäden bereiten. Außerdem greifen sie andere auf körperliche und psychologische Weise an. Und sie setzen sich absichtlich psychologischem Stress aus.
Das Verhalten ist oft gegen andere gerichtet. Die Patienten versuchen, andere zu verletzen, indem sie Kopfnüsse verteilen, zwicken, mit den Armen rudern oder spucken. Dieser Angriff gegen andere kann auch von psychologischer und verbaler Art sein. Sie beleidigen einen Freund, Lieblingspfleger oder Elternteil. Sie lügen mit voller Absicht, sodass sie ihren eigenen Interessen schaden. Sie geben falsche Antworten auf Testfragen oder verneinen, wenn ihnen Fast Food oder ein Film angeboten wird. Es scheint unerklärlich, warum sie sich selbst schaden, beste Freunde verletzen und beschimpfen und nein sagen, obwohl sie ja meinen.
Das Lesch-Nyhan-Verhaltensmuster wird am besten damit beschrieben, dass dass  „Gegenteil des Erwünschten“ gemacht wird. Eine Enthemmungstheorie passt besser als eine SIB-Theorie.
Das letzte, was sie wollen, ist sich selbst zu verletzen, besten Freunden zu schaden und „nein“ zu sagen, wenn sie gefragt werden, ob sie einen Ausflug zu McDonald’s machen wollen.

Gibt es eine Medizin, die Lesch-Nyhan heilt?

Nein. Es gibt keine Medizin, die die Krankheit zu heilen vermag. Doch es sind Medikamente nötig, um die körperliche Gesundheit zu unterstützen, und hilfreich für die Minderung der muskulären und Verhaltenssymptome. Allopurinol muss verabreicht werden, um einem Nierenschaden durch Harnsäure vorzubeugen. Aber eine erfolgreiche Behandlung von Harnsäure hat keine Auswirkung auf motorische oder Verhaltensprobleme. Valium ist eines der gewöhnlichen Medikamente, die die Lebensqualität verbessern. Es hilft, die Muskeln zu entspannen, beruhigt den Patienten und vermindert psychologischen Stress. Es verhindert aber keine SIB.  Einige Eltern und Ärzte finden, dass Haloperidol, ein Neuroleptikum, ein nützliches Mittel zur Verminderung von Verhaltenssymptomen ist. Es gibt einige klinische Studien, welche entkrämpfende Mittel (Gabapentin) empfehlen. Einige Eltern berichten von Erfolgen mit Risperidol. Schlafmedizin, wie z.B. Benadryl und Chloralhydrat, ermöglichen Patienten und Pflegern ruhigere Nächte.